SRB-Stiftungsratsmitglied, Prof. Dr. Benno Hafeneger, zum Geheimtreffen von AfD und Neonazis


Am 10. Januar 2024 veröffentlichte das Recherchezentrum Correctiv einen Artikel zu ihren investigativen Recherchen über ein geheimes Treffen von hochrangingen AfD-Politikern, Neonazis und finanzstarken Unternehmern. Ziel war die Besprechung eines Geheimplans bei dem die Abschiebung von Millionen Menschen, darunter deutsche Staatsbürger*innen, aus Deutschland geplant wurde.

Die Veranstaltung fand im November 2023 statt und wurde von der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ organisiert. Unter den Teilnehmenden waren laut Correctiv hochrangige AfD-Mitglieder, darunter der ehemalige parlamentarische Geschäftsführer Roland Hartwig und Mitglieder der Werteunion der CDU. Im Fokus des Treffens stand besonders ein Thema, das unter dem rechtsextremistischen Kampagnenbegriff „Remigration“ besprochen wurde. Was es mit dem Begriff auf sich hat und was das Treffen für unsere Demokratie und die bevorstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen bedeutet, erläutert Prof. Dr. Benno Hafeneger in einem kurzen Interview.

Über Prof. Dr. Hafeneger:

Benno Hafeneger ist deutscher Erziehungswissenschaftler und emeritierter Professor der Philipps-Universität Marburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Jugendbildung, Jugendkulturen und Rechtsextremismus. Unter anderem veröffentlichte er 2020 das Buch „Die AfD im Hessischen Landtag. Ein neuer Politikstil und seine Auswirkungen“. Benno Hafeneger ist Mitglieder der Pädagogischen Grundsatzkommission des IB und Mitglied im Rat der Stiftung Schwarz-Rot-Bunt.


Herr Hafeneger, was macht die Enthüllung des Treffens so brisant? Und war mit einem solchen Treffen zu rechnen?

Über Treffen und Vernetzungen der AfD mit der rechtsextremen Szene ist in den letzten Jahren wiederholt berichtet worden. Das jetzt bekannt gewordene Treffen ist dafür ein weiterer eindeutiger Beleg. Das Treffen selbst überrascht nicht, aber seine eindeutigen Themen und in dieser Klarheit, das überrascht schon. Auch wenn die Forderungen nicht neu sind, so war jetzt erstmals von einem Masterplan und damit strategischen Überlegungen die Rede.

Correctiv berichtet, dass vor allem die Massendeportation von Menschen mit Migrationsgeschichte Thema des Treffens war. Betitelt wurde das mit dem Begriff "Remigration". Was genau versteckt sich hinter dem Begriff?

Es ist die völkische Ideologie eines homogenen, biodeutschen, weißen Volkes. Das rechtsextreme Lager dichotomisiert die Bevölkerung. Das heißt sie teilen ein, wer ihrer Meinung nach zur deutschen Bevölkerung gehört und wer nicht dazu gehört. Die Bevölkerungsgruppen, die für das rechtsextreme Lager nicht dazu gehören, sollen in einem großen Ausmaß in ihre "Ursprungsländer" und Kulturen zurück und Deutschland verlassen. Massenhaft sollen deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund, Geflüchtete und Asylbewerber*innen - d. h. Millionen von Menschen - ausgebürgert und vertrieben werden. Dafür will das rechtsextreme Lager mit seinem "Masterplan" sorgen - das ist so eindeutig bisher noch nicht formuliert worden.

Unter den Teilnehmenden des Treffens waren auch hochrangige AfD-Politiker. Die AfD suggeriert sich allerdings als Grundgesetz konform. Treffen wie diese zeigen jedoch, dass sich dahinter ein rechtsextremistischer Kern verbirgt. Warum gab es bisher noch keine rechtlichen Konsequenzen für die Partei?

Die AfD ist in einigen Bundesländern mittlerweile als gesichert rechtsextrem eingestuft worden. Der Beobachtungs- und Bewertungsprozess die gesamte Partei eindeutig - belegbar und gerichtsfest - als rechtsextrem zu bewerten läuft aktuell noch. Das sollte man auch nicht abkürzen. Es wäre eine demokratiepolitische Katastrophe, wenn ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern würde. Hier gibt es hohe Hürden, die zu beachten sind und Sorgfalt bedeuten.

Wie ernst sollte man diese Abschiebe- & Vertreibungsideen nehmen? Wie gefährlich werden die Hirngespinste für unsere Demokratie, wenn man in Betracht zieht, dass die AfD über 20% der Umfragewerte erreicht und in den neuen Bundesländern die stärkste Partei werden könnte?

Zunächst ist es ein Hinweis und weiterer Beleg, wie das rechtsextreme Lager denkt und welche menschen- und demokratiefeindlichen Politikvorstellungen es hat. Vor dem Hintergrund ihrer Wahlerfolge und Prognosen für die nächsten Landtagswahlen agiert sie weniger verdeckt und vorsichtig, sondern offen und aggressiv. Das gilt es ernst zu nehmen, weil damit die politische Kultur beeinflusst wird. Die AfD bzw. das gesamte rechtsextreme Lager will eine ganz andere Republik und autoritär formierte Gesellschaft. Zugleich ist es radikale Wortpolitik aus der Oppositionsperspektive. Anders würde es aussehen, wenn die AfD in einer Koalitionsregierung (z.B. in einem Bundesland) machtpolitische Optionen hätte. Hier ist weiter von Bedeutung, wie sich die kommunalen Ebenen entwickeln - mit den Wahlergebnissen für die AfD, mit möglichen AfD-Landräten/Bürgermeistern. Auch als stärkste Fraktion hat sie als Oppositionspartei in den Landtagen - wenn sie z.B. den Parlamentspräsidenten stellen würde oder ihre Sperrminorität nutzt - Einfluss auf die Landespolitik.

Inwiefern bestehen zwischen der aktuellen Situation mit den vielen anstehenden demokratischen Wahlen und einer zunehmend wachsenden antidemokratischen Partei Parallelen zur damaligen Machtergreifung durch die NSDAP 1933?

Da verbieten sich zunächst vorschnelle Verknüpfungen, weil die Demokratie bei allen Krisenentwicklungen doch recht stabil ist und andere verfassungsrechtliche Grundlagen hat als damals. Aber ein Aspekt ist meines Erachtens von Bedeutung – und der macht mir Sorgen. Es geht um die Zeit Ende 1929/1930 und dann bis 1933. Hier hat die NSDAP - zunächst in Thüringen - ihre Macht "von unten", auf kommunaler, dann auch auf Landesebene organisiert. Dies geschah in Zusammenarbeit und in Koalitionen mit dem bürgerlichen Lager. Hier war die Hoffnung, man könnte die NSDAP einhegen mehr als trügerisch. Sollten wir mit den nächsten Wahlen in eine solche Situation kommen, dann wären wir auf dem Weg in eine andere Republik.


Das Ereignis zeigt erneut: Wir müssen uns klar gegen Rechtsextremismus positionieren.
Es ist keine Option mehr leise zu sein! Gerne können Sie die Arbeit der Stiftung Schwarz-Rot-Bunt unterstützen.

Das Interview führte Lena Seidel, 11.01.2024


 

Ein Download des Interviews finden Sie hier.